Ist Positive Birth® esoterisch?

Positive Birth
von Jasmin Nerici

Ist Positive Birth® esoterisch?

Einmal vor langer Zeit habe ich ein Paar in einigen Einheiten mit Positive Birth® begleitet. Als ich ihnen den Geburtsverlauf anhand der Positive Birth® Geburtsspirale verdeutlichte, verwendete ich kleine Kristallgeoden, welche die unterschiedliche Öffnung des Gebärmuttermundes symbolisieren sollten. Nach der Einheit meinte der werdende Papa: “Ich war echt skeptisch, was mich hier erwartet, ob es sehr esoterisch wird. Ich dachte, du würdest mir gleich die Edelsteine da auflegen. Zum Glück hast du das nicht gemacht!” Wir lachten alle drei herzlich darüber. Diese Frage gibt es sehr oft. Auch unlängst im Gespräch mit einer Freundin kam wieder einmal die Sprache auf das Thema Esoterik. Positive Birth®, so meinte sie, wäre doch eher was für esoterische Menschen. Ist Positive Birth® esoterisch?

Sehen wir uns doch einmal an, was esoterisch eigentlich bedeutet. Wikipedia schreibt dazu: “Esoterik (von altgriechisch ἐσωτερικός esōterikós ‚innerlich‘, dem inneren Bereich zugehörig‘) ist in der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist…” Dem stimmt auch der Duden zu: Schlägt man unter “esoterisch” nach, so findet man als Bedeutung “nur für Eingeweihte einsichtig, [geistig] zugänglich”.

Im Großen und Ganzen heißt das also nichts anderes, als esoterische Menschen gehören einem Kreis von Leuten an, die in ein tieferes Wissen (hier philosophisches) eingeweiht wurden. Heute könnte man auch sagen, Leute denen ein Wissen zugänglich gemacht wurde, das nicht für jeden zur Verfügung steht.

Demnach würde ich sagen, Ja, Positive Birth® ist esoterisch. Allerdings darf ich zu bedenken geben, dass dann meines Erachtens jeder Mensch in irgendeiner Weise esoterisch ist. Sei es der IT-Administrator eines kleinen Unternehmens, der allein über alle Zugangsdaten der EDV-Anlage verfügt. Oder die Eis-Erzeugerin, die die Rezepte ihrer Eissorten hütet. Vielleicht auch ein besonders versierter Mathematik-Professor, der an einer AHS unterrichtet, und seinen Schülern nie wirklich mitteilt, was er eigentlich über Mathe weiß. Natürlich ist dann auch jede Mutter esoterisch – sie wurde ja durch den Vorgang selbst in die “Kunst des Gebärens” eingeweiht. Und jeder begleitende Vater detto. Jedes Kind, das gezeigt bekommt, wie man nur mit einer Gabel Spaghetti isst, gehört zum esoterischen Kreis der “Esser nach orginal italienischen Methoden”. Und ich z.B. gehöre zur esoterischen Gruppe derer, die herausgefunden haben, wie man bei einem Mini Cabrio das Verdeck doch noch aufbekommt, wenn die Warnanzeige “Kofferaumabdeckung in untere Position bringen” schreibt, obwohl sie bereits in der unteren Position ist.

Ja, ihr seht schon: Ich mache mich über den Begriff ein wenig lustig. Tatsache ist: Die Esoterik ist heute ja mit etwas Anderem, aber doch recht Spezifischem definiert: Mit Methoden oder Denkweisen, die als übernatürlich und unerklärlich gelten. Denen ein gewisser Touch von Scharlatanerie anhängt. Die sich an Menschen richtet, die an unsichtbare Kräfte (Wesen, Energien, Methoden ….) glauben und sich das Leben ein wenig naiv schön reden. Wenn man sich das Vortragsprogramm der größten Esoterik-Messe im deutschsprachigen Raum ansieht, sieht man Begriffe wie Channeling (= das Empfangen von Informationen durch ein menschliches “Medium”), Engel-Arbeit, Wahrsagerei und Hellsehen, Geistiges Heilen und Magie. Das Tolle an dieser Esoterik ist: Wenn sie nicht wirkt, hängt man es einfach dem “Behandelten” um – er hat dann eben einfach noch nicht die “richtige Schwingung” oder noch “zu viele energetische Blockaden” oder glaubt schlicht nicht genug dran, dass ES möglich ist.

Unterzieht man Positive Birth® also einer kritischen Betrachtung, so kann ich sagen, ja, es ist die Einweihung in ein tiefers Verständnis und Wissen über die Vorgänge bei der Geburt. Ja, es gibt Zugang zu den eigenen inneren Ressourcen (Energien?), die frei werden, wenn man sich der Geburt hingibt. Wir meditieren in den Kursen, damit die Frauen ein noch feineres Gespür für ihre Körpervorgänge und ihre eigenen Bedürfnisse bekommen. Wir zeigen auf, welche mentalen Fähigkeiten wir haben und wie wir sie (besser) nutzen können. Wir benutzen Symbole und Gegenstände, um positive Anker zu setzen – Glücksbringer, Bilder, Düfte. Wir empfangen manchmal “Botschaften” und sprechen aus, was wir “empfangen”, weil wir als Kursleiterinnen sehr feinfühlig für Themen geworden sind, wo die Schamgrenze angekratzt wird, oder sich unausgesprochene Ängste verstecken. Wir glauben auch an die unsichtbare Kraft des ungeborenen Kindes – es lenkt durch seine Anwesenheit seine Mama, seelisch und körperlich.

Aber: Positive Birth® ist nachvollziehbar, erklärbar und nichts, das wir nur einem elitären Kreis mitteilen möchten. Wir sind sozusagen Exoterisch – nach aussen gerichtet – mit unserem Wissen. Jede, und jeder, die/der möchte, kann wissen, was wir wissen. Unser Wissen und unsere Erkenntnisse wachsen durch jedes weitere Mitglied. Positive Birth® ist organisch, also lebendig. Und die Geburt selbst? Ja, die ist wahrlich für viele Frauen eine hoch esoterische Angelegenheit. Und für andere Frauen gar nicht: Für die ist es eine sehr bodenständige Körpererfahrung. Positive Birth® gibt nicht vor, WAS ein positives Geburtserlebnis ist. Und wir hängen auch niemandem um, wenn unsere Ideen und Methoden nicht “funktionieren”.
Nur eines, sagen wir jeder Frau, die zu uns kommt: Ob sie das Glas als halb voll, oder als halb leer betrachtet, hat sie selbst in der Hand!